Greenwashing hinterlässt Spuren: Nur 12 Prozent der Schweizer Bevölkerung glauben an die Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen

Eine Studie hat die Erwartungen von Schweizerinnen und Schweizern an Firmen untersucht.

Isabelle Wachter 3 min
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Laut einer Sotomo-Umfrage will die Schweizer Bevölkerung, dass sich Unternehmen für eine sozial und ökologisch nachhaltige Schweiz engagieren.

Laut einer Sotomo-Umfrage will die Schweizer Bevölkerung, dass sich Unternehmen für eine sozial und ökologisch nachhaltige Schweiz engagieren.

Christian Beutler / Keystone

Greenwashing, PR und Image-Politur sind Begriffe, die oft im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen fallen. Die Menschen trauen den Unternehmen kaum zu, sich uneigennützig zu engagieren. Das zeigt nun auch eine Studie, die das Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag des Migros-Genossenschafts-Bunds durchgeführt hat. Insgesamt wurden 2797 Personen ab 18 Jahren in der Schweiz befragt.

Grosses Informationsbedürfnis

72 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass es sich bei den nachhaltigen Engagements um PR handelt. Nur 12 Prozent der Befragten glauben den Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen. «Es ist denkbar, dass einzelne Fälle von Greenwashing zu einem grösseren Misstrauen gegenüber Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen geführt haben», sagt Anna John, Projektleiterin bei Sotomo.

Trotzdem wollen 73 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer darüber informiert werden, wenn sich ein Unternehmen sozial oder ökologisch engagiert. Ob Konsumenten die Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen lesen, wurde in der Studie nicht abgefragt. «Weil diese Berichte viele Seite lang sind, gehe ich nicht davon aus, dass diese die breite Öffentlichkeit erreichen», sagt John.

Obwohl viele misstrauisch sind gegenüber den Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen, kaufen 73 Prozent der Befragten Produkte aus «nachhaltiger Produktion». Etwas mehr als die Hälfte gab an, dass Werbung durchaus dazu beitragen könne, dass die Gesellschaft nachhaltiger lebe. Vielen Befragten fehlt es an Transparenz und klimafreundlichen Alternativen.

Männer und junge Befragte geben häufiger als andere an, keine Lust zu haben, ihr Leben auf Klimafreundlichkeit auszurichten. Allerdings gab auch in diesen beiden Kategorien mindestens die Hälfte an, klimafreundlicher leben zu wollen. Trotzdem zeigt sich auch hier, dass junge Leute entgegen der öffentlichen Wahrnehmung insgesamt nicht klimafreundlicher leben als ältere.

SBB und Migros

Nachhaltigkeit sieht die Bevölkerung als grösste gesellschaftliche Herausforderung an. Die konkreten Forderungen, die in der Befragung angegeben werden, beziehen sich eher auf die soziale Verantwortung von Unternehmen – und zwar in der Schweiz, nicht unbedingt im Ausland. So fordern zwei Drittel der Befragten, dass Unternehmen mehr in der Schweiz produzieren und sich für ältere Mitarbeitende und Lernende einsetzen.

Während die Bevölkerung im sozialen Bereich auf die Eigeninitiative der Unternehmen zählt, fordert sie beim Klimaschutz staatliche Regulierung für Unternehmen. Möglicherweise folgt daher erst an vierter Stelle eine ökologische Forderung an die Unternehmen. So sind 50 Prozent der Befragten der Meinung, dass Unternehmen vermehrt auf erneuerbare Ressourcen setzen sollten.

Den Befragten ist am wichtigsten, dass Unternehmen soziale Verantwortung übernehmen

in Prozent

Bei der Frage, welche Unternehmen am meisten für die Schweiz tun, wurden die SBB und die Migros am häufigsten genannt, darauf folgen Stadler Rail und Coop. Bei den Non-Profit-Organisationen wurde das Rote Kreuz am häufigsten genannt und Caritas am zweitmeisten.

Die Studienautoren wollten auch in Erfahrung bringen, inwiefern die Forderungen an Unternehmen ein Spiegel der gegenwärtigen Krisen sind. 92 Prozent finden, es brauche in diesen unsicheren Zeiten mehr Gemeinschaft und Solidarität. Interessant ist, dass sich drei Viertel gleichzeitig für eine Stärkung des Ichs durch mehr Eigenverantwortung und Individualität aussprechen. Das Gemeinschaftliche und das Individuelle werden also nicht als Gegensatz verstanden.