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Aufrufe in Onlinenetzwerken Behörden warnen vor Unterwanderung der Bauernproteste durch Extremisten

Rechte und Querdenker versuchen laut einem Medienbericht, die Proteste für ihre Zwecke zu nutzen. BKA und Verfassungsschutz registrierten Mobilisierungsaufrufe aus deren Reihen unter anderem für »Umsturzrandale«.
Bauernprotest im bayerischen Straubing

Bauernprotest im bayerischen Straubing

Foto: St. Wintermeier / dpa

Im Zusammenhang mit den geplanten Bauernprotesten in der kommenden Woche beobachten deutsche Sicherheitsbehörden einem Bericht zufolge diverse Mobilisierungsaufrufe und Solidaritätsbekundungen von Rechtsextremisten, Gruppierungen der Neuen Rechten und der Querdenker-Szene. Dies hat laut »Welt am Sonntag« eine Abfrage beim Bundeskriminalamt (BKA), dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzbehörden der Länder ergeben. Die Aufrufe gebe es besonders in Onlinenetzwerken.

Das BKA registrierte demnach zahlreiche Mobilisierungsaufrufe. Darunter seien Aufrufe für einen »Generalstreik« und »Umsturzrandale« sowie für eine »Unterwanderung« der Demonstrationen. Die rechtsextremistische Partei »Der III. Weg« spreche laut Polizei von einem möglichen Bauernaufstand. AfD-Mitglieder und Funktionäre der Partei würden als Veranstaltungsanmelder fungieren oder seien als Redner vorgesehen. Einen Aufruf gebe es auch von der neurechten Initiative »Ein Prozent«.

Einerseits Landwirte mit legitimen Anliegen, andererseits Extremisten

Aus den Sicherheitsbehörden hieß es auf Nachfrage der »Welt am Sonntag«, der Bauernprotest sei schwer einzuschätzen. Auf der einen Seite seien Landwirte mit einem legitimen Anliegen und auf der anderen Seite Extremisten, die diesen Protest unterwandern wollten. Gleichzeitig sieht das BKA dem Bericht zufolge für die Bauernproteste und deren Veranstalter selbst keine »gefährdungsrelevanten Erkenntnisse«.

Am Freitag hatte bereits Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vor einer Unterwanderung der Bauernproteste durch Extremisten gewarnt. »Leute von ganz rechts außen« versuchten, die legitimen Bauernproteste für sich zu nutzen, sagte Özdemir im »heute journal« des ZDF. »Die haben Umsturzfantasien«, sagte er. Es sei ein Kernstück der liberalen Demokratie, einander zuzuhören und Gewalt abzulehnen – »sonst verrottet hier was«.

Vertreter der Bauernverbände hatten sich wiederholt von Gewalt und extremistischem Vorgehen distanziert. Am Donnerstagnachmittag hatten Bauern einen Fähranleger im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel blockiert und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der aus dem Urlaub zurückkehrte, am Verlassen des Schiffs gehindert. Erst bei einem zweiten Versuch in der Nacht konnte die Fähre anlegen und Habeck ans Festland bringen, nachdem die Demonstranten abgezogen waren. Die Aktion sorgte parteiübergreifend für scharfe Kritik. Die Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelt wegen Nötigung und möglichen Landfriedensbruchs.

Özdemir: »Wir sind nicht erpressbar«

Zuvor hatte die Bundesregierung mitgeteilt, sie nehme einen Teil ihrer Kürzungspläne im Agrarbereich zurück. Demnach soll die Begünstigung bei der Kfz-Steuer für die Forst- und Landwirtschaft anders als zunächst geplant erhalten bleiben und die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel erst bis 2026 vollständig erfolgen. Die Landwirte halten das für unzureichend.

Für Montag sind große Demonstrationen geplant, bei denen mit erheblichen Verkehrseinschränkungen gerechnet wird.

»Die beiden Maßnahmen zusammen, Kfz-Steuerbefreiung streichen und Dieselprivileg abschaffen, waren zu viel. Wir haben das korrigiert«, sagte Özdemir im »heute journal«. Er verstehe, dass das Manchen immer noch nicht reiche, es handele sich aber um »eine faire Maßnahme«. Die Bundesregierung habe den Bauern zugehört und reagiert, sagte der Landwirtschaftsminister. Es gehe nicht, dass Manche jetzt drohten, Gewalt anzuwenden, um die Politik unter Druck zu setzen, sagte Özdemir. »Wir sind nicht erpressbar.«

Die Unionsparteien unterstützen das Festhalten der Landwirte an geplanten Protestaktionen in der kommenden Woche, obwohl die Bundesregierung die geplanten Kürzungen im Agrarbereich weitgehend zurückgenommen hat. »Die Proteste der Bauern sind absolut verständlich«, sagte die Vizechefin der Unionsfraktion im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), der Düsseldorfer »Rheinischen Post«. Die Ampelregierung wolle auch weiterhin Haushaltslücken auf Kosten der heimischen Landwirtschaft schließen. Unionsfraktionsvize Steffen Bilger (CDU) warf der Bundesregierung einen »faulen Kompromiss« vor, denn die Streichung der Agrardieselsubvention sei weiterhin geplant.

CDU-Fraktionschef fordert mehr Unterstützung für Landwirte

Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag hat Maßnahmen vorgelegt, die für Landwirte zu Verbesserungen führen sollen. »Die Agrarhilfen müssen erhalten bleiben, um massive Wettbewerbsnachteile der Bauern und weitere Preisanstiege für die Verbraucher zu verhindern«, sagte Fraktionschef Mario Voigt. Es drohe die Verlagerung landwirtschaftlicher Produktion ins Ausland und ein massiver Verlust an Wertschöpfung im ländlichen Raum.

Konkret forderte er die Landesregierung unter anderem dazu auf, Bemühungen von Landwirten besser zu vergüten, wenn sie Blühstreifen anlegen oder andere Naturschutzmaßnahmen ergreifen. Zudem sollte die Bürokratie für die Bauern entschlackt werden. Instrumente, um etwa digitale Fördermittelanträge zu stellen, sollten vereinfacht werden. Voigt verlangte auch Nachbesserung beim Gesetz zur sogenannten tierischen Nebenprodukte-Beseitigung. So solle das Land künftig wieder ein Drittel der Kosten dafür übernehmen. Aktuell gingen die Kosten für die Beseitigung von Schlachtabfällen durch die Decke, so Voigt.

Auf Bundesebene schlägt Voigt vor, auf die geplante stufenweise Abschaffung der Agrardieselhilfen komplett zu verzichten. Zudem sollten die im Entwurf des Bundeshaushalts 2024 geplanten Kürzungen bei Förderinstrumenten für die Entwicklung des ländlichen Raums zurückgenommen werden.

kig/AFP/dpa